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ALBERTO POSADAS IM GESPRÄCH

Alberto Posadas und Florian Hoelscher

… den Erinnerungsprozess in Gang setzen

Der aus Spanien stammende Alberto Posadas komponiert an der Schnittstelle zu anderen Künsten und Wissenschaften. Nur die Musikgeschichte hatte er vor seinem epochalen, Florian Hölscher in die Finger geschriebenen Klavierzyklus „Erinnerungsspuren“ (2014–18)  noch nie zum Gegenstand seiner Musik gemacht. In den sechs Teilen unternimmt Posadas eine Reise durch die Historie der Klaviermusik. Martina Seeber sprach mit dem Komponisten zu diesem Werk.

Herr Posadas, haben Sie jemals an die berühmte «Stunde Null» der Neuen Musik geglaubt?

Ich verstehe, dass die Komponisten nach dem Zweiten Weltkrieg das Bedürfnis empfanden, voraussetzungslos neu anzufangen. Wenn wir aber heute auf ihre Werke zurückblicken, entdecken wir überall Wurzeln, die weit zurückreichen. Es ist schwerer zu vergessen als zu lernen.

Wie kommt es, dass Sie in ihrem Klavierzyklus die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit suchen?

Das war ein eigenartiger Prozess. Als mir Florian Hölscher vorschlug, ein Werk für Klavier zu komponieren, habe ich zunächst abgelehnt. Ich wollte nicht für das Klavier schreiben. Mein Problem bestand auch darin, dass ich Klang brauche, den ich in der Zeit verändern kann. Dann versuchte ich das historische Repertoire einfach zu ignorieren. Das war schon naiv. Dann habe ich beschlossen: Ich muss erst einmal meine Beziehung zur Vergangenheit und zum Repertoire des Klaviers klären. Deshalb habe ich Referenzstücke aus allen Epochen gewähle, von der Cembalomusik des Barock bis zur zeitgenössischen Musik: Das erste Stück etwa bezwieht sich auf François Couperin und die Frage nach der Bedeutung von Ornamenten.

Was war die Grundfrage bei Ihrer Arbeit über Bernd Alois Zimmermann? Seine Haltung zum Zitat war sehr eigen. Ihm ging es um die Gleichwertigkeit von Epochen und Stilen, um Kritik am Fortschrittsglauben, aber auch um Kritik an der postmodernen Beliebigkeit.

Ich selbst habe mich gefragt, wie ich zitieren kann, um dadurch einen Erinnerungsprozess in Gang zu setzen. Deshalb zitiere ich auch nicht sehr explizit. Wir erinnern uns an etwas, aber wir vergessen immer einen Teil der Information. Zugleich fügen wir etwas hinzu, von dem wir dann glauben, es sei tatsächlich geschehen. Deshalb ist die Erinnerung so kreativ. Damit spiele ich. Ich verwende transformierte Zitate und vermische sie mit meiner eigenen Musik. Das ist wie eine Brücke in die Vergangenheit. Ich erkenne etwas, das zu Bach gehört, aber es ist nicht mehr Bach.

In den anderen Teilen von Erinnerungsspuren zitieren Sie aber überhaupt nicht trotz klarer Referenz!

In «Anklänge an Debussy» beispielsweise mein Bezugsstück „La Cathédrale engloutie“. Meine Frage war hier: Wie kann ich simulieren, dass ein Klang statt von der Luft von einem anderen Medium übertragen wird. Wie kann ich den Eindruck erzeugen, dass der Klang einen anderen Ursprung hat als das Klavier. In meinem Klavierstück über Robert Schumanns „Presto appassionato“ ist die Frage technischer, denn Schumann überlagert verschiedene Rhythmen

Hat die Arbeit an Erinnerungsspuren Ihr Verhältnis zum Klavier verändert?

Durch den Zyklus hat sich für mich fast alles verändert. Ich habe das Klavier vorher nur im Ensemble eingesetzt, aber nicht allein. Jetzt habe ich mit dem Klavier meinen Frieden gemacht. Allerdings nach einem langen Kampf.

Interview mit Alberto Posadas

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Alberto Posadas: Erinnerungsspuren

Mit Erinnerungsspuren hat Alberto Posadas eine sechsteilige Hommage an das Klavier geschrieben. Der spanische Komponist erinnert in seinen „Anklängen“ an Größen seiner Zunft und nimmt sie zum Ausgangsmaterial seiner Erforschung des pianistischen Klangraums.
> zur CD

Das Interview erschien in voller Länge in der Neue Zeitschrift für Musik 2018/03 , S. 34-37 unter dem Titel „Die Schwierigkeit zu vergessen. Alberto Posadas über seinen Klavierzyklus «Erinnerungsspuren» im Gespräch mit Martina Seeber“. Mit freundlicher Genehmigung.

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